Suppenfütterung

Zum Alltag auf der Intensivstation gehört auch das Gefüttert-werden – wenn man nicht durch Schläuche ernährt wird. Dass das Krankenhausessen nicht immer das allerbeste ist, ist ja kein Geheimnis, aber trotzdem ist jede Mahlzeit ein wichtiger Punkt an der Tagesordnung, denn gefüttert werden bedeutet, dass man nicht alleine ist. Die Geschichte der Suppenfütterung ist eine, an die ich mich mit Humor zurückerinnern kann, die aber einen für die Pflege sehr wichtigen Kern hat:

„Abendessenszeit. Ein lustiges Wort auf der Intensivstation, die meisten hier kriegen ihr Essen durch Schläuche. Ich darf essen. Genauer gesagt: Ich darf gefüttert werden. Pfleger K. hat heute bei mir Dienst. Und da kommt er auch schon mit der Suppe.

Es ist Februar 2006, in Turin finden gerade die olympischen Winterspiele statt. Wohlmeinende Menschen schalten mir immer wieder den Fernseher in meinem Zimmer ein (ja, das gibt’s auch auf der Intensivstation) und ich kann Skirennen schauen. Da muss ich nicht viel denken und es bewegt sich was. Die Stimme von Rainer Pariasek, dem Sportmoderator, brennt sich in diesen Wochen auf ewig in mein Hirn ein.

Gut. Es gibt also Suppe, Skirennen und einen Pfleger. Er kommt flott zur Tür herein und bindet mir mein Lätzchen um. Gleichzeitig schaut er nacht rechts oben zum Fernseher, wer fährt da gerade? Erster oder zweiter Durchgang? Wer führt? Das Lätzchen ist umgebunden und er beginnt zu füttern. Leider schaut er immer noch, wer gerade fährt… Es ist eine leere, klare Suppe. Ganz flüssig. Ich habe sie überall, das wenigste davon im Mund. Ich kann nichts dazu sagen. Ich kann immer noch nicht reden. Mich anzuschauen, wäre super. Manchmal ist es zum Verzweifeln.

Zu dem Pfleger muss ich sagen, dass er mir in den vielen Wochen sehr, sehr viel geholfen hat. Er hat konsequent mit mir an meiner Mobilisierung gearbeitet, und das war wahrlich nicht leicht. Er hat auch den letzten Ausschlag gegeben, dass ich mich zuversichtlich von der Bearbeitungsmaschine verabschieden konnte. Ich habe ihn sehr geschätzt. Aber das mit der Suppe…“

© Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main. Aus: Guschlbauer, Brigitte: Von Augenblicken und Ewigkeiten, 2018, S. 47f.

Blickkontakt kann in einer solchen Situation Wunder wirken!

„Die wichtigste Stunde ist immer die gegenwärtige. Der wichtigste Mensch ist immer, der dir gerade gegenübersteht.“ (Meister Eckhart)

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